GANZ SCHÖN VIEL ZIRKUS UM CLARA

Der Titel ihres Albums „Here Comes Everything“ ist Programm: Clara Blume komponiert, singt, spielt Klavier und ist quasi Zirkusdirektorin. Und die Chemie zwischen ihr und ihrem Physiker stimmt auch. Wie all das geht, verrät sie der NIEDERÖSTERREICHERIN.

Überm Seziertisch lernten ihre Eltern einander kennen und lieben. Die aufs Interview wartende Schönheit am Fenster ist das dritte Kind des Mediziner-Ehepaares. Ihr raffinierter Blazer sticht sofort ins Auge; später im Gespräch gesteht sie schmunzelnd ihren Faible für „exzentrische Jacken“. Clara Blume ist aber so und so nicht zu übersehen. Dafür sorgen ihre glitzernd dunkle Mähne, ihre funkelnden Augen, der rote Lippenstift.

„Here Comes Everything“ verspricht sie auf ihrer aktuellen CD und mit einem Tattoo auf ihrem Unterarm. Und sie hält das Versprechen. Mit ihrer packenden Musik. Und mit einem nie enden wollenden Interview, weil jede fesselnde Antwort zu einer neuen Frage inspiriert. Mitten im Mittagstrubel des Wiener Café Francais vergisst man an ihrer Seite die Welt, weil sie einem das Gefühl von absoluter Exklusivität vermittelt. So ist auch ihre Musik: absolut vereinnahmend im besten Wortsinn. Ihr Debütalbum vereint zehn Songs, die unterschiedlicher nicht sein können. Der rote Faden ist Clara selbst: ihre große Stimme, ihre Ganslhauttexte in Englisch und Spanisch, ihr Mut, auf musikalische Schubladen zu pfeifen. Mit völliger Selbstverständlichkeit reichen da einander Pop und Jazz, elektronische und opulent gestaltete „Filmmusik“ die Hand.

Konten geplündert

Dieses Album war kein Spaziergang; sie hat es nicht einfach aus dem Ärmel geschüttelt. Eineinhalb Jahre hat sie mit ihrem Bruder Georg, ihrem „Vertrauensmenschen“, daran gearbeitet; neben der Förderung des Österreichischen Musikfonds hat sie ihre Rücklagen und Konten mehr als geplündert, um ihren Traum wahr werden zu lassen. „Solche Dinge tust du einfach als Künstler: Wenn du dein Projekt verwirklichen willst, gibst du alles, was du hast und noch mehr“, sagt sie. Als die CD im Sommer herauskam, waren es quasi Standing Ovations, mit denen sogar für spitze Feder bekannte Musikkritiker die Singer-Songwriterin bedachten.

Knapp 30 Musiker hatten an ihrem Album mitgewirkt; als Draufgabe wurde für den Ohrwurm „Love & Starve“ ein aufwühlendes Video – ebenfalls unter der Regie von Bruder Georg – gedreht. Es erzählt vom Befreiungsschlag von Statussymbolen; es sei eine „Do what you want“-Hymne, mit dem immanenten Gedanken, aus jeder Krise auch Energie schöpfen zu können, sagt Clara Blume. 

Die Blume ist echt

Clara Blume ist kein gekünsteltes heppi-peppi Flowergirl; ihr Name ist so echt, wie ihre grenzenlose Liebe zur Musik. Aufgewachsen ist die Künstlerin mit den Multikulti-Wurzeln – ihre Mama ist Spanierin, ihr Papa holländisch-indonesischer Abstammung – zum Großteil im niederösterreichischen Breitenfurt. Nach dem obligatorischen Start mit der Blockflöte kam schnell das Klavier hinzu – und schon mit 15 Jahren eine für Frau Blume entscheidende Weggabelung. „Es gibt großartige Interpreten, die das Beherrschen ihres Instruments Jahrzehnte hindurch bis zur Perfektion forcieren. Ich sehe da wenig Raum für Eigenschöpfung. Ich wollte von Beginn an Künstlerin und unaustauschbar werden“, sagt sie. Ihre rebellischen Wegweiser waren da etwa die Red Hot Chili Peppers, Radiohead und natürlich Nirvana. Den entscheidenden Schubser in eine bestimmte Richtung gaben Frauen wie Alanis Morissette und Aimee Mann. „Für mich war als Jugendliche klar: Ich werde Singer-Songwriterin.“

Mit 17 folgt sie der „Sprache ihres Herzens“ (Blume) und übersiedelt nach Spanien. Fünf Jahre lang lebt und studiert sie in Madrid; singt in mehreren Formationen. Mit „The Proud“ gelingt der Durchbruch; Clara Blume ist dabei umgeben von international erfolgreichen Musikern. Als nur noch der entscheidende große Schritt fehlt, nämlich die Veröffentlichung des heiß ersehnten Albums, geschieht ein tragisches Unglück: Ein Bandmitglied stirbt erst 35-jährig an einem Gehirntumor; der CD-Release wird gestrichen.

Zur Trauer gesellt sich natürlich auch Enttäuschung und eine Erfahrung, die unauslöschbar wird. „Da habe ich das erste Mal erlebt, welch fragiler Organismus eine Band ist“, beschreibt sie. Seither gilt für sie ein bestimmendes Kriterium: „Ein guter Song muss auch funktionieren, wenn er allein mit Instrument und Stimme interpretiert wird.“

„The Proud“ wird übrigens später fortgeführt; 2012 erschien die EP „All smoke and echoes“, eine LP ist in Planung.

Manege frei!

Wieder in der Heimat, webt sie sich also für ihre Auftritte ein großes Netz aus Profimusikern – und mehr noch: Im Jahr 2010 gründet sie mit ihren Brüdern Georg und Philipp Blume „The Singer Songwriter Circus“, eine florierende Plattform, um Newcomer zu fördern. „Wie kannst du besser werden, wenn du keine Möglichkeit hast, dich zu präsentieren? Ohne Live-Auftritte überlebt ein Act nicht; ein Rohdiamant wird durch viele Konzerte zum Artist“, weiß Clara Blume. Also schuf man ein Konzept, bei dem sich vorrangig aus Österreich stammende neue Formationen für Konzertauftritte bewerben können. Um jeweils genügend Publikum anzulocken, werden sie dann von einem „Paten“, quasi einem namhaften Zugpferd, flankiert. Die „Zirkusdirektorin“ selbst, also Clara, schnappt sich das Mikro mal für pointiert-schräge Moderationen, mal um selbst zu singen. An die 350 Acts spielten bisher in der Manege. Übrigens: Für die fantasievollen Kulissen zeichnet ihr ältester Bruder, der Designer Philipp Blume, verantwortlich.

Aufbruch in eine neue Ära?

Ein bisschen verpufft scheinen Clara Blumes große Hoffnungen, die sie 2014 in die Song Contest-Ausscheidung gesteckt hatte. Die Vision war, vor allem das Bewusstsein der Radioprogrammverantwortlichen zu schärfen. Sie selbst hatte daran gemeinsam mit weiteren Acts aus ihrem Zirkus teilgenommen.

Ihr Credo bleibt dennoch unerschütterlich: „Wir dürfen nicht aufhören, mehr und mehr Lärm zu machen, damit die heimischen Künstler auch im Radio gespielt werden. Es hat sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan; man braucht nur etwa an Parov Stelar oder Bilderbuch denken.“

Die Wissenschaft & die Liebe

Die private Clara übrigens ist seit vier Jahren mit einem Physiker liiert. „Er ist ein unglaublich inspirierender, blitzgescheiter Mensch“, schwärmt die 31-Jährige. Die beiden teilen sich nicht nur eine Wohnung in Wien, sondern auch „die absolute Aufopferung“ jeweils für ihre Berufe, gesteht die Künstlerin schmunzelnd. Aber: „Eben deswegen versuchen wir, unser Privatleben nicht mit den Ärgernissen aus dem Berufsalltag zu kontaminieren und die Arbeit vor der Tür zu lassen.“

Dass dennoch ab und an die Grenzen verschwimmen, liege auf der Hand, zumal Clara Blume ihren Ehrgeiz in noch eine weitere Mission steckt. Im Idealfall will sie 2016 ihre Doktorarbeit am Institut für Romanistik finalisieren. Das Thema: die deutsche Intervention im spanischen Bürgerkrieg. 

Wordrap

Das beste Buch … „Infinite Jest“ („Unendlicher Spaß“) von David Foster Wallace

Dein schlimmster Albtraum … dass meiner Familie etwas zustößt

Das schönste Lied … „Enjoy the Silence“ von Depeche Mode

Dein dunkelstes Geheimnis … Ich kann wahnsinnig unsicher sein (lacht)

Worüber würdest du nie reden? Über meine Beziehung, das ist sehr privat. Heute habe ich ein bisschen eine Ausnahme gemacht. Doch sonst erfahren auch die Social Media-Kanäle nichts darüber. Außerdem halte ich mich in der Öffentlichkeit mit politischen Statements zurück.

Was wolltest du als Kind werden? Lehrerin; das würde mich weiterhin interessieren

In zehn Jahren bin ich … noch immer auf der Bühne!

Mein Lieblingsteil im Kasten ... Ich bin eine Jacken-, Mäntel-, Schalperson. Ich mag Basics, wie Röhrenjeans und Stiefeletten – und dazu eine exzentrische Jacke. Exzentrische Jacken sind mein Fetisch (lacht).

© MAG. VIKTÓRIA KERY-ERDÉLYI, DIE NIEDERÖSTERREICHERIN, 19.01.2015